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Brief an die Karmelitinnen in Auschwitz vom 9. April 1993

##article.authors##

  • Papst Johannes Paul II.

##preprint.subject##:

Liebe, Erinnerung, Nationalsozialismus, Verantwortung

Zusammenfassung

Die schwerste Krise im katholisch-jüdischen Verhältnis seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde durch den heftigen Konflikt um den Konvent der Karmelschwestern in Auschwitz ausgelöst. Im Sommer 1984 waren acht Schwestern des Konvents der Barfüßigen Karmelitinnen von Posen in das Gebäude des alten Theaters außerhalb des Lagers von Auschwitz (Auschwitz I) eingezogen. Sie wollten sich in Stille und Abgeschiedenheit dem Gebet für die Opfer und der Sühne für die in Auschwitz verübten Verbrechen sowie dem Gebet für Frieden und Einheit in der Welt widmen. Die polnische Kirche sah im Konvent die Möglichkeit, der Banalisierung infolge der Präsentation der Gedenkstätte durch die kommunistisch-staatlichen Behörden ein Gegengewicht entgegenzusetzen. Durch den Spendenaufruf eines Hilfswerks aus Anlaß des Pastoralbesuchs von Papst Johannes Paul II. in den Beneluxländern im Mai 1985 wurde die jüdische und westliche Öffentlichkeit auf den Karmel-Konvent in Auschwitz aufmerksam. Es kam zu heftigem jüdischen Protest, dem sich Christen und kirchliche Würdenträger anschlossen: Auschwitz als das Realsymbol der Schoa müsse ein Ort des Schweigens sein und dulde keine Änderung. Der Konvent sei eine kirchliche oder polnische Aneignung, die nicht hingenommen werden könne. Quälend lang zog sich eine Zeit bitterer Anklagen und eines tiefen Argwohns hin. Konkrete Absprachen von autorisierten Persönlichkeiten aus der katholischen und jüdischen Welt vom 22. Februar 1987 in Genf, welche die Errichtung eines Zentrums für Information, Erziehung, Begegnung und Gebet außerhalb der Grenzen der Lager von Auschwitz vorsahen, führten nur vorübergehend zu einer Beruhigung; die Absprachen wurden nicht in der vereinbarten Zeit eingelöst. Der offizielle katholisch-jüdische Dialog wurde ausgesetzt. Erst als man polnischerseits den Bau des geplanten Zentrums in Angriff nahm und die „Genfer Erklärung“ sichtbar umsetzte, kam es nach Vermittlung durch die Kommission der polnischen Bischofskonferenz für den Dialog mit den Juden und die Vatikanische Kommission für die religiösen Beziehungen zu den Juden zur Wiederaufnahme des formellen Dialogs. Das 13. Jahrestreffen des Internationalen Verbindungskomitees zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum vom 4. bis 6. September 1990 in Prag war ein Zeichen der Erneuerung der katholisch-jüdischen Zusammenarbeit. Die Krise wurde endgültig durch den Brief von Papst Johannes Paul II. an die Schwestern des Konvents in Auschwitz vom 9. April 1993 überwunden.

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Veröffentlicht

1993-04-09