Abstract
In diesem Artikel entwickle ich eine Forschungsagenda für eine
„mehr-als-digitale Anthropologie“ und verbinde hierzu Ansätze aus der Tradition der Digitalen Anthropologie mit den theoretischen Grundlagen einer Relationalen Anthropologie. Dies ermöglicht, so mein Argument, anthropologische Forschungen zum „Digitalen“ gegenüber essentialisierenden Vorannahmen, was das Digitale und das Analoge als differente Sphären ausmacht, abzusichern. „Mehr-als“ signalisiert zugleich eine Verwandtschaft meiner spezifischen Theoretisierung des „Digitalen“ mit ähnlichen
aktuellen Ansätzen – wie beispielsweise einer mehr-als-menschlichen Anthropologie –, die sich einer binären Beschreibung und Aufteilung der Welt in Menschliches und
Nicht-Menschliches, Natur und Sozialität, Technik und Kultur, in virtuelle und physische Räume, grundlegend entziehen. In den Fokus kommen vielmehr die fortlaufenden Übergänge, Übersetzungen, aber auch Lücken und Störungen, auf die wir dann stoßen, wenn wir Praxis als zentrale analytische Einheit zum Ausgangspunkt unserer Forschung machen. Im zweiten Teil des Artikels werde ich diesen Ansatz anhand ethnografischer Untersuchungen von Bürgerbeteiligung und öffentlicher Verwaltung in der Stadt Frankfurt am Main verdeutlichen. Wie ich zeige, verlagert der Ansatz einer mehr-als-digitalen Anthropologie
die Aufmerksamkeit auf die weitergefassten Kontexte sogenannter smarter städtischer Verwaltung und Online-Bürgerbeteiligung und insbesondere auf die Arbeit, die mit nur partiell verbundenen Infrastrukturen und den vielfältigen Netzwerken einer mehr-als-digitalen Politik des Bürgerengagements einhergehen. Ein Ausblick in zukünftige Forschungslinien einer mehr-als-digitalen Anthropologie schließt den Artikel ab.
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